"Artisan bread" oder Brot backen, das wirklich handgemacht aussieht UND schmeckt

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Was tut man nicht alles für schöne Fotos. Brot habe ich noch nicht allzu oft fotografiert und wollte Bilder von Brot, dass es nicht in der Bäckerei an der Ecke gibt. Ein Brot, das ursprünglich und wirklich rustikal aussieht und das sagt: Mich gibt es nur in einer französischen Landbäckerei. So richtig mit dicker Kruste und innen locker mit großen Luftblasen.

Brotbacken fand ich schon als Kind toll. Meine Oma hat wunderbar weiches, zartes und duftiges Weißbrot gebacken. Und wenn die ganze Familie gebettelt hat, dann hat meine Mutter auch ab und an nach dem gleichen Rezept gebacken. Leider kam das sehr selten und auch meist nur um Ostern herum vor - von mir aus hätte sie gern jeden Tag backen können: Die Atmosphäre beim Backen, das Kneten und der für mich mystische "Vorteig". Ich fand es wahnsinnig spannend zu beobachten, wie aus dem komisch müffelnden Hefeklumpen und der Milch (beides war in einer kleinen Mulde in der Mitte des Mehlbergs zusammengemischt worden) ein riesiges blubberndes Etwas wurde. Und dann natürlich der Duft beim Backen, den man mindestens im ganzen Haus - in meiner Erinnerung sogar auf der Straße - riechen konnte. Und der Geschmack von selbst gebackenem Weißbrot ist einfach unübertroffen. Ich mochte es am Liebsten mit Erdbeermarmelade oder Käse. Oder natürlich mit den niederrheinischen Spezialitäten Apfel- oder Rübenkraut. Und einige unserer häufigen Frühstücksgäste (meine Mutter machte ein prima Frühstück) belegten das Brot mit Käse und strichen dann noch Rübekraut drauf - eine niederrheinische (Un-)Sitte, die ich nie verstehen werde.  Aber ich glaube, ich schweife ab; schließlich wollte icheigentlich gar nicht über Weißbrot schreiben. Aber beim Thema Brot geht es eben manchmal mit mir durch :-)

Leider hat meine Mutter nicht nur sehr selten, sondern auch nur ungern selbst Brot gebacken. Sie hat mir immer den Eindruck vermittelt, Brotbacken sei eine lästige und mühevolle Angelegenheit, die sich eigentlich nicht "lohne".  Als ich dann einen eigenen Haushalt hatte, war es für mich völlig selbstverständlich, das Brot immer beim Bäcker oder im Supermarkt zu kaufen.  Später dann kamen einige Backversuche mit der Brotbackmaschine hinzu, die sich aber nicht im Alltag durchsetzen konnten. Nichts gegen Brotbackmaschinen im Allgemeinen, aber erstens mag ich die ewig gleiche Form nicht, und zweitens stört mich enorm dieses Loch. Nie kann man sich eine vernünftige Schnitte schmieren, weil in der Mitte immer dieses riesige Loch des Rührarms klafft. Der Geruch im Haus ist zwar auch wirklich toll, aber es ist nicht mit richtigem Brotbacken zu vergleichen. Aber seit Mrs. Bridges (wie ich meine Kenwood-Küchenmaschine gern nenne) im Haus ist, hat sich das alles grundlegend geändert. Seit vier Monaten gehen wir höchstens noch zum Bäcker, um Brötchen zu kaufen. Wir haben ein relativ ungesüßtes Weißbrot und ein total unkompliziertes "Schüttbrot" (Dinkel-Vollkornbrot), das wir regelmäßig selbst backen (Blogeinträge folgen).

Aber ich wollte nicht nur immer unser Standardbrot fotografieren, sondern - wie anfangs schon erwähnt - ein wirklich rustikales Brot. Bei meinen Recherchen landete ich in den USA und war begeistert, was ich da für tolle Rezepte und Anleitungen gefunden habe. Ich stieß auf Begriffe wie "Artisan bread" und "No-Knead Bread" und wusste sofort, dass ich so etwas auch einmal ausprobieren musste. Mir ist allerdings immer noch nicht klar, wer diese Art des Backens "erfunden" bzw. für Otto-Normalverbraucher zugänglich gemacht hat. Meines Wissens hat Peter Reinhart mit seinem Buch "The Bread Baker's Apprentice: Mastering the Art of Extraordinary Bread: Making Classic Breads with the Cutting-edge Techniques of a Bread Master" die Grundlagen gelegt, populärer war aber dann "Jim Lahey: My Bread: The Revolutionary No-Work, No-Knead Method".

Und endgültig bekannt wurde die Technik dann durch Mark Bittman, der in der New York Times kulinarische Beitrage verfasst. Hier der Link zum Rezept vom 8.11.2005: No-Knead Bread und hier die passende Anleitung

Nun muss ich aber auch kurz erklären, worum es sich bei dieser Art der Brotzubereitung handelt. Wir haben in unseren Privathaushalten zwei Dinge, die kommerzielle Bäcker meist nicht haben: Platz und Zeit. Bei der "No-Knead" Methode, die oft auch "Overnight Fermentation" genannt wird, wird am Vorabend des Backtags ein recht flüssiger Hefeteig mit relativ wenig Hefe zubereitet. Dieser wandert dann über Nacht in den Kühlschrank, wo er durch den Fermentierungsprozess heftige Blasen gebildet hat. Nach ein paar Stunden weiterer Gehzeit bei normaler Temperatur kann man ihn dann backen und erhält nicht nur ein Brot von außergewöhnlich gutem Gesschmack, sondern auch mit toller Kruste und wundervollen Löchern. ich habe mich für ein Rezept aus dem Buch entschieden, das ich mir in der Kindle-Version gekauft habe (Peter Reinhart: Peter Reinhart's Artisan Breads Every Day: Fast and Easy Recipes for World-Class Breads), weil Peter Reinhart zum Einen alles sehr ausführlich beschreibt, zum Anderen auch nicht nur Brot, sondern auch z.B. Zimtschnecken oder Pizzateig zeigt. Es gibt auch Sauerteigbrote aus mehreren Teigkomponenten, aber dazu später.

Wenn ihr bis hierher gelesen habt, dann habt ihr ein Rezept und auch endlich Bilder verdient :-) 

Pain à Láncienne Rustic Bread

Author: Peter Reinhart. From: Peter Reinhart's Artisan Breads every day. Page 814 (Kindle edition)

Zutaten

  • 567 g Brotmehl (ich verwende normales backstarkes Weizenmehl)

  • 11 g Salz

  • 4 g Trockenhefe

  • 454 g kaltes Wasser (ca. 13 Grad Celsius)

Zubereitung

  1. Zunächst einmal kommen alle Zutaten in die Küchenmaschine und werden auf niedrigster Stufe einige Minuten lang zu einem glatten feuchten Teig verarbeitet. Diesen lässt man dann 5 Minuten ruhen.

  2. Danach noch 1 Minute mit dem Rührwerkzeug und nicht mit dem Knethaken auf mittlerer Geschwindigkeit mixen. Wenn man keine Küchenmaschine hat, kann man natürlich auch einen Handmixer benutzen.

  3. Den Teig dann mit einem angefeuchteten Teigschaber in eine leicht geölte Schüssel geben und diese mit Frischhaltefolie bedecken.

  4. Wieder 10 Minuten ruhen lassen.

  5. Dann gibt man den Teig entweder auf eine geölte Arbeitsfläche (ich nehme immer eine kleine Marmorplatte) oder lässt ihn in der Schüssel und wendet das an, was Peter Reinhart die "Stretch and Fold Technique" nennt. Dabei nimmt man mit nassen Händen (ich nehme immer den nassen Teigschaber) und greift den Teig am Rand, zieht daran und wirft das Stück wieder in die Mitte. Immer wieder ein Stück Teig nach außen ziehen und in die Mitte werfen/ablegen. Wenn man alle Enden ein- oder mehrmals langgezogen und in die Mitte gelegt hat, dreht man den Teig um, formt ihn zu einer Kugel und lässt ihn 10 Minuten ruhen.

  6. Diese Prozedur muss man noch drei Mal wiederholen, so dass man in 40 Minuten fertig ist.

  7. Nach der letzten Runde kommt der Teig wieder in die Schüssel, die ihr mit Alufolie abdeckt und für eine Nacht oder bis zu 4 Tagen in den Kühlschrank stellt.

  8. Wenn ihr den Teig eine Stunde vor dem Backen aus dem Kühlschrank holt, sollte sich sein Volumen verdoppelt haben und voller dicker Blubberblasen sein.

  9. Minuten vor dem Backen müsst ihr den Ofen vorbereiten und so heiß wie möglich vorheizen (ca. 250 C, besser heißer) und bei Verwendung eines Brot- oder Pizzasteins diesen auch schon aufheizen und evtl. eine Fettpfanne unter den Stein schieben. Ihr könnt auch nur vorheizen und die Baguettes nachher auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen, aber das habe ich noch nicht ausprobiert.

  10. Die Pizzastein-Bäcker mehlen jetzt den Brotschieber ordentlich ein.

  11. Nun den Teig vorsichtig mit einem nassen und öligen Teigschaber auf die Arbeitsfläche (bei mir wieder die Marmorplatte) schubsen. Man muss sehr vorsichtig mit dem Teig umgehen, um die mühsam gezüchteten Blasen nicht wieder zu zerstören.

  12. Nun gilt es, mit viel Mehl und etwas Rollen kleine Rollen zu formen, die an ein Baguette erinnern könnten und diese nebeneinander auf den Brotschieber bzw. das Backblech zu legen. Das Backblech ab in den Ofen.

  13. Die Pizzastein-Bäcker haben es nun schwerer, da sie die schlüpfrigen Scheißerchen (ups) vom Brotschieber auf den Stein bugsieren müssen. In die Fettpfanne unter dem Stein könnt ihr nun noch eine Tasse heißes Wasser schütten - aber vorsichtig, damit nichts an die Backofentür kommt und das Glas springt. Ich besprühe das Brot auch alle paar Minuten mit Wasser aus einer Blumenspritze.

  14. -18 Minuten backen und mindestens 15 Minuten abkühlen lassen. Natürlich nur, wenn ihr es aushalten könnt.

Aber lassen wir den Meister selbst die "Stretch and Fold Technique" demonstrieren:

 
 

Und so sah mein Teig aus, als ich ihn aus dem Kühlschrank genommen habe:

Und hier der Versuch, Baguette-ähnliche Brote zu formen:

Nach kurzer Backzeit auf dem Pizzastein:

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